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MVP-Entwicklung

MVP - das Minimum Viable Product

Die MVP-Entwicklung zielt auf die Herstellung einer einfachen und bereits tragfähigen Version eines Produkts bzw. einer Dienstleistung ab. Ein Minimum Viable Product beinhaltet schon die relevanten Eigenschaften, um ein Kundenproblem oder -Bedürfnis zu lösen. Das Ziel des MVP-Ansatzes ist es, mit minimalem Aufwand eine relevante und funktionstüchtige Produktversion herzustellen, um zugrundeliegende Produkthypothesen zu testen und die Weiterentwicklung nah an den realen Bedürfnissen des Kunden auszurichten. Startups, die nach der Lean-Startup Methode vorgehen, zielen mit der MVP-Entwicklung auf eine möglichst frühe Überprüfung der Geschäftsidee ab.

Build - Measure - Learn & Repeat

Der MVP-Ansatz kann besser als ein Prozess begriffen werden, der schrittweise wiederholt wird. Auf Basis einer Idee zur Lösung eines Problems wird eine Lösung in minimaler Ausprägung erzeugt, die dann unter realen Bedingungen verprobt wird. Erkenntnisse aus Tests werden verwendet um zu lernen und um die bestehende Lösung zu verbessern. Veränderungen werden dann erneut verprobt, Auswirkungen werden gemessen und hinsichtlich weiterer Optimierungspotentiale interpretiert.

Auf diese Weise entwickelt sich das Produkt entlang vieler Messungen und ist im Optimalfall an den echten Bedürfnissen der Kunden orientiert.

Aber: Vorsicht vor Pivotitis

Doch es gibt auch berechtigte Kritiken an diesem Vorgehen, z.B. jene, dass ein Herangehen dieser Art zu einer regelrechten ‘Pivotitis’ (~ Pivoting meint die Änderung des Geschäftsmodells) führt - also einer unverbindlichen Richtungsänderung, die mit initial dünnen Konzept beginnt und viele fragwürdige Experimente erlaubt, solange die Messergebnisse stimmen.

Benefits der MVP-Entwicklung

Ein wesentlicher Vorteil einer gelungenen MVP-Entwicklung ist also eine Optimierung hinsichtlich des Product-Market-Fit, da die Meinung des Kunden früh eingeholt wird und Kundenwünsche fortlaufend in die Weiterentwicklung einfließen.

Weitere Vorteile sind z.B. …

  • Minimierte Investitionsrisiken: geringere Investitionen sind bis zur ersten Veröffentlichung des Produktes am Markt nötig. Die Weiterentwicklung des Produktes erzeugt natürlich Folgekosten, genauso wie die Fortführung eines soliden Feedback-Prozesses. Insofern lässt nicht grundsätzlich sagen, dass der MVP-Ansatz stets billiger ist. Richtig ist jedoch, dass Risiken im Zusammenhang mit dramatischen Fehlannahmen (z.B. falsch interpretierten Kundenbedürfnissen) früher auffallen und somit minimiert werden können. Deshalb bietet der MVP-Ansatz das Potential der investitionsbezogenen Risikominimierung.

  • Time-to-Market: Wer durch Innovation den Wettbewerbsangeboten voraus sein will, sollte die Produktentwicklungs- und Vermarktungsprozesse entsprechend agil und effizient ausrichten. Der MVP-Ansatz bietet die Möglichkeit, neue Entwicklungen frühzeitig am Markt zu testen und Insights durch die Nutzungsdaten und das Feedback von Early Adoptern in Maßnahmen umzuwandeln. Ebenso ist eine Build-Measure-Learn Mentalität prinzipiell gut dafür geeignet, um auf Veränderungen in einem dynamischen Umfeld zu reagieren.

  • Involvement von Early Adoptern: Der MVP-Ansatz bietet die Möglichkeit den Kunden rasch einzubeziehen. Ein früher Dialog mit ersten Kunden ist für die Produktentwicklung sehr wertvoll. Zum einen können Fehlannahmen ausgeräumt werden und neue Ideen für die Verbesserung des Produktes evaluiert werden. Zum anderen wird durch das Einbeziehen des Kunden in frühe Entwicklungsphasen des Produktes eine besondere Art der Beziehung aufgebaut, die den Kunden im besten Falle zum treuen Co-Creator und Sparringspartner werden lässt.

Fluide Phasen der MVP-Entwicklung

Double Diamond process by [Ari Tanninen](http://stopandfix.blogspot.com/2015/07/the-double-diamond-process.html)

Double Diamond process by Ari Tanninen

Die MVP-Entwicklung ist ein steter Prozess zwischen dem Problem- und Lösungsraum. Gedanklich kann man diesen Prozess in Phasen sortieren, die aber in der Praxis wechselseitig ineinandergreifen sollten.

Das richtige Problem finden

Ausgangspunkt für die Entwicklung tragfähiger Lösungen (z.B. Softwarelösungen) ist es, relevante Probleme auszumachen und Kundenbedürfnisse richtig zu verstehen. Das gilt für die MVP-Entwicklung ebenso.

Ausgehend von einem angenommenen Problemfeld ist Explorationsarbeit und Analyse nötig. Etwa, um relevante Probleme von weniger relevanten zu trennen. Innovation ist in den meisten Fällen mit dem Neu- oder Besser-Lösen bekannter Probleme beschäftigt. Selbst bei Sprunginnovationen / im Kontext disruptiver Innovationen werden häufig alte Probleme aus einer neuen Perspektive betrachtet. Ein ‘Reframing’ von Problemen zahlt sich oft aus, um zusätzliche Perspektiven zu erschließen. Die Bewertung neuer bzw. bislang unbeachteter Probleme macht es ebenfalls nötig, dass die Relevanz und die Natur des Problems verstanden wird.

In der Phase der Product Discovery sollte man sich auf den Bereich des Problems fokussieren, welches es zu lösen gilt. Ein wirklich häufiger Fehler bei der Entwicklung digitaler Produkte (~ z.B. Webapplikationen) ist, dass zu früh auf die Lösungsseite gewechselt. Es wird sich also zu früh mit der Frage beschäftigt, WIE man etwas lösen kann. Wichtig ist es aber, dass begriffen wird, WAS für WEN in welcher SITUATION WARUM gelöst werden soll. Ein Problem richtig zu verstehen und zu definieren, ist oft schwieriger als man annimmt. Es zahlt sich oftmals aus, Probleme neu zu konzeptualisieren bzw. ein Reframing von Problemen in Betracht zu ziehen, bevor man in die Lösungsebene eintaucht. Ein guter Artikel in diesem Kontext ist Are You Solving the Right Problems? von Thomas Wedell-Wedellsborg.

Combine Design Thinking, Lean Startup & Agile (Gartner, 2017)

Combine Design Thinking, Lean Startup & Agile (Gartner, 2017)

Ideengenerierung

Sammeln Sie stets genug Ideen, wie ein Problem gelöst werden könnte. Die MVP-Entwicklung soll zwar schnell erfolgen, aber es muss nicht die erste Lösungsidee die beste sein. Häufig wird auch hier zu schnell agiert, ohne dass verschiedene Lösungsvarianten durchgespielt worden sind. Ich finde es immer hilfreich, Lösungsideen als Problemlösungs-Kandidaten zu reflektieren, nicht als finale Lösungen.

In Ideation-Phasen lohnt es sich also durchaus zunächst viele Ideen zusammenzutragen, evtl. auch abwegige. Erst dann sollte die Menge der Ideen systematisch verglichen, eventuell vertestet und aussortiert werden. Nachdem schließlich nur noch wenige Optionen im Rennen sind, kann man in die detailliertere Konzeptions- und Design-Arbeit übergehen.

Für die Praxis ist zu empfehlen, Product Discovery und Product Delivery fluide ineinandergreifen zu lassen, also Rückkopplungen zwischen den Phasen vorzusehen.

Komposition: Produktmerkmale & Design

Machen Sie sich Gedanken zur richtigen Rezeptur der elementaren Leistungsmerkmale eines MVP: Was sind die essentiellen Eigenschaften? Die Kernfunktionen des Produktes sollten darauf abzielen, das zugrundeliegende Problem bei minimalem Funktionsumfang zu lösen. Auf diese Weise soll die Lösung dem Nutzer bereits früh konkreten Nutzen bieten, ohne dass die Tiefe des Funktionsspektrums ausgeschöpft ist. Zudem muss das Produkt auf die Bedürfnisse der Benutzer einzahlen.

Neben den zentralen Leistungsmerkmalen werden natürlich weitere Merkmale früh herzustellen sein, um Ihre Lösung selbst in der Minimalversion zugänglich zu machen. Eine SaaS-Lösung beinhaltet eventuell auch als frühes MVP ein Nutzerprofil, ohne dass dieses die zentralen Probleme löst. Im Fokus der Aufmerksamkeit sollten aber die Kernfunktionalitäten stehen, die auf die Lösung eines Problems einzahlen. Frameworks wie das Kano-Model können helfen, die richtige Balance von Produktmerkmalen auch im MVP-Kontext zu reflektieren. Denn schnell heißt nicht unreflektiert!

Minimum in MVP?

Minimum in MVP?

Inkrementelle Entwicklung

Entwickeln Sie Ihr MVP z.B. auf Basis einer agilen Methode wie SCRUM. Methoden wie Kanban funktionieren ebenso. Agile, inkrementelle Methoden bieten sich an, um anhand des Product-/ und Sprint-Backlogs inkrementelle Produktschritte zu planen. Sie können z.B. anhand von Sprints iterieren und Funktionen / Merkmale umsetzen und in regelmäßigen Abständen Feedback einholen. Entwicklungsteams sollten interdisziplinär aufgestellt werden und neben technologischen Kompetenzen über Domänen-, Design- und Produktkompetenzen verfügen, so dass Hypothesen ganzheitlich diskutiert und verifiziert werden können. Das nutzerzentrierte Feintuning auf Basis von Feedback sollte jederzeit möglich bleiben, wodurch ein Team die interdisziplinäre Kompetenz aufweisen sollte und ebenso empowered sein muss, Kurskorrekturen vorzunehmen.

Feedback wird in frühen Entwicklungsschritten vielleicht zunächst intern eingeholt, doch ab einer bestimmten Umsetzungstiefe wird es wichtig erste Nutzer oder Kunden zu involvieren.

Tests & Feedback

Tests von Ideen oder Konzepten sind schon sehr früh in der MVP-Entwicklung möglich. Auch zur Analyse des Problems empfiehlt es sich, Kunden oder Dritte hinzuzuziehen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt bringen Sie Ihr MVP jedoch auf den Markt und sammeln stetig mehr Feedback und Nutzungsdaten. Dies erfolgt z.B. auf Basis verschiedener Tests (z.B. A/B-Tests), Nutzungsanalysen oder durch (qualitativ oder quantitativ erhobenes) Feedback. Es ist dabei wichtig, sich mit den relevanten Produktmetriken vertraut gemacht zu machen und die Datenerhebung systematisch auch im Kontext dieser Metriken zu konzipieren. Ob Sie ein Problem in eine relevante Lösung überführt haben, werden Sie anhand des MVP überprüfen können, sobald Sie auf Nutzerstimmen achten und Daten kontinuierlich, methodisch sinnvoll und zielführend messen. Die auf Basis der Datenanalyse gewonnenen Insights sollten als kontinuierliche Rückkopplung für die Produktentwicklung bereitstehen, damit das Produkt an den realen Bedürfnissen und am Markt optimiert werden. Ebenso sollte die Vertriebs- und Marketingstrategie auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse kontinuierlich überprüft und nachjustiert werden. Hier entstehen auch schnell Fehlannahmen, die korrigiert werden können.

Weitere Iteration

Ihr MVP wird iterativ verbessert und steht kontinuierlich auf dem Prüfstand, die Entwicklung hört nach einem Launch also nicht auf. Build - Measure - Learn & Repeat ist weiterhin das Motto. Fehlende Funktionalitäten können nun ergänzt werden. Feedback, Nutzungsanalysen und Tests dienen weiterhin dazu, Annahmen zu verifizieren oder die optimale Umsetzung einer Funktion zu evaluieren. Wichtig ist, dass ein MVP stetig weiterentwickelt werden muss. Für die Begleitung des Produktes am Markt sollte dauerhaft Aufmerksamkeit eingeplant werden. Nur so gelingt die erfolgreiche Optimierung auf Basis eines Minimum Viable Products.

Wrap Up & Best Practices

Klare Ziele erarbeiten

Stellen Sie sicher, dass Ihre MVP-Entwicklung ein klares Ziel verfolgt und das Hauptproblem Ihrer Zielgruppe adressiert. Überlegen Sie sich, wie Sie überprüfen können, wie gut Ihr Produkt dieses Problem löst.

Schnelle Entwicklung

Vermeiden Sie langatmige Entwicklungszyklen. Schnelligkeit ist der Schlüssel zur Markteinführung und zum Sammeln von Feedback. Die Prozesse sollten so aufgebaut sein, dass sie schnell iterieren und neue Erkenntnisse verarbeiten können.

Aktive Kommunikation

Kommunizieren Sie aktiv mit Ihren Kunden. Bieten Sie Support und sammeln Sie auch qualitatives Feedback, um Ihr Produkt zu verbessern.

Flexibilität & Agilität

Seien Sie bereit, Ihre ursprünglichen Annahmen basierend auf neuen Erkenntnissen anzupassen. Flexibilität ist entscheidend, um die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Ein agiles Mindset und eine innovationsfreundliche Kultur sind absolut von Vorteil.

Interdisziplinär & kollaborativ

Gehen Sie mit einem handlungsfähigen Team in die MVP-Entwicklung, welches verschiedene Disziplinen (Design, Tech, Product, Domänenexpertise etc.) anwenden kann. Kurze Wege erlauben eine schnellere Reaktion, sorgen Sie also dafür, dass Ihr Team empowered ist.

Datengetriebene Entwicklung

Hypothesen können nur überprüft werden, wenn die richtigen Beobachtungen angestellt werden und Messungen über die Zeit erfolgen. Diskutieren Sie schon in einem frühen Stadium, welche Produktmetriken relevant sind und wie Sie messen können, ob eine neue Funktionalität auf die übergeordnete Zielsetzung einzahlt.

Fazit

Ein MVP ist kein Prototyp. Die MVP-Entwicklung erfolgt nicht planlos. Der Ansatz setzt voraus, dass man ein Problem, das es zu lösen gilt, verstehen will und irgendwann durchdrungen hat. Das MVP sollte mit minimalem Funktionsumfang früh dem Feedback der Nutzer ausgesetzt werden, so dass es zugunsten der realen Bedürfnisse optimiert werden kann. Die Entwicklung eines MVP geht auch nach der ersten Veröffentlichung langfristig weiter. Somit ist die Gesamtentwicklung nicht zwingend billiger. Eine MVP-Entwicklung lässt sich besser als Prozess oder Vorgehen begreifen, nicht als Entwicklung eines Produktes / Assets geringerem Umfangs. Beachten Sie bei der Entwicklung des MVP die richtige Balance von Produktmerkmalen, um eine solide Ausgangsbasis zu schaffen, die für Ihre Kunden relevant ist. Indem Sie typische Fehler vermeiden und bewährte Praktiken befolgen, können Sie die Chancen auf den Erfolg Ihres Produkts erheblich erhöhen.


Sollten Sie Hilfe bei der Entwicklung Ihres MVP benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Seite.

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